Meinung: Thesenpapier zur Elektromobilität

Dr. Guenther Coen,  Diplom-Physiker und Mathematiker zum Thema Elektromobilität 

Thesenpapier zur Elektromobilität von Dr. Günther Coen, Mitglied der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Velbert:

Klimaschutz wird in der Politik benutzt als Oberbegriff für den Stopp der anthropogenen globalen Erwärmung (= aktiver Klimaschutz) einerseits und die Abmilderung der bereits eingetretenen und noch zu erwartenden Folgen dieser anthropogenen globalen Erwärmung (= passiver Klimaschutz = Mitigation) andererseits.

Ohne nachhaltige Mobilitätswende ist aktiver Klimaschutz nicht erfolgreich realisierbar, denn die nachhaltige Mobilitätswende ist neben der nachhaltigen Energiewende ein zentraler Teilbereich des aktiven Klimaschutzes.

Die beiden wichtigsten Ziele der nachhaltigen Mobilitätswende sind:

  • die kontinuierliche Reduzierung der Nutzung von erdölbasierten Treibstoffen und
  • die kontinuierliche Reduzierung von verkehrsbedingten Gesundheitsschäden

Da neben der Fortbewegung als Fußgänger und Radfahrer die Elektromobilität die einzige Mobilitätsform ist, bei der kein Treibhausgas und kein Luftschadstoff entsteht, ist die Förderung der Elektromobilität ein zentraler Beitrag zum aktiven Klimaschutz.

In Bezug auf die Förderung der Elektromobilität bin ich als Physiker ein großer Verfechter der Power-to-X-Technologie:

  • Dabei steht das X wahlweise für Gas, Liquid oder Heat.
  • Es geht bei Power-to-X um verschiedene Formen der Langzeitspeicherung von Energieüberschüssen, die bei der Bereitstellung elektrischer Energie aus Windkraft, Photovoltaik, Solarthermie, Biomasse, Wasserkraft oder Geothermie auftreten.
  • Gas steht dabei meist für Bio-Wasserstoff oder Bio-Methan, Liquid meist für Bio-Äthanol oder Bio-Methanol und Heat für Wärme bei Nah- oder Fernwärmenetzen in effizienter Kraft-Wärme-Kopplung (KWK).
  • Der Verbrennungsmotor wird – entweder als Otto- oder als Dieselmotor – derzeit an Land in PKWs, LKWs, Motorrädern und stationären Anlagen wie etwa Notstromaggregaten eingesetzt. Er wird aktuell außerdem zu Wasser in Booten, U-Booten und Schiffen eingesetzt.
  • Die Forderung der Grünen nach dem Verbot des Verbrennungsmotors bezieht sich nur auf diese beiden Anwendungssektoren, da nach dem derzeitigen Stand der Technik der Verbrennungsmotor nur dort durch einen Elektromotor plus Brennstoffzelle oder durch einen Elektromotor plus Akkumulator ersetzt werden kann.
  • Der Verbrennungsmotor wird aktuell außerdem in der Luftin Flugzeugen, Hubschraubern und Drohnen eingesetzt.
  • Hier ist er nach dem derzeitigen Stand der Technik – aufgrund der sehr schnellen Lastwechsel – noch nicht durch einen Elektromotor plus Brennstoffzelle ersetzbar. In der Forschung wird aber intensiv daran gearbeitet, die Brennstoffzelle so weiterzuentwickeln, dass langfristig auch in diesem Anwendungssektor der Verbrennungsmotor auch hier durch einen Elektromotor plus Brennstoffzelle ersetzt werden kann.
  • In diesem Anwendungssektor ist dennoch einstweilen nur eine Treibstoff-Substitution möglich, also beispielweise der Ersatz von Kerosin durch Bio-Äthanol oder Bio-Methanol bei Verwendung der Power-to-Liquid-Technologie oder durch Bio-Wasserstoff oder Bio-Methan bei Verwendung der Power-to-Gas-Technologie.
  • Rein prinzipiell, das heißt unter alleiniger Berücksichtigung der Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen, könnte man sich bei der nachhaltigen Mobilitätswende natürlich auch an Land und zu Wasser auf die Treibstoffsubstitution beschränken.
  • Das wäre aber sehr ineffizient, denn auch der beste Viertakt-Dieselmotor kommt nur auf einen Wirkungsgrad von 43% und der beste Viertakt-Ottomotor sogar nur auf 40%, ein Elektromotor plus Brennstoffzelle erreicht dagegen einen Wirkungsgrad von mehr als 97%.
  • Die akkubasierte E-Mobilität für Fahrräder ist unkritisch, da man hier nicht auf Lithium-Ionen-Akkumulatoren auf der Basis von LiCoO2 angewiesen wäre, obwohl sie auch hier wegen ihrer hohen massenbezogenen Energiedichte von bis zu 756 kJ / kg und des hohen Ladewirkungsgrades von 90% meist verwendet werden.
  • Die akkubasierte E-Mobilität für E-Scooter ist dann und nur dann kritisch, wenn man die E-Scooter lediglich im Freizeitbereich einsetzt, weil sie dann zusätzlichen Verkehr schaffen, der sonst nicht entstünde. Ansonsten gilt aber das Gleiche wie für Fahrräder.
  • Eine akkubasierte E-Mobilität für LKWs mit mehr als 20 Tonnen Nutzlast ist beim derzeitigen Stand von Forschung und Technik nicht möglich, eine wasserstoffbasierte E-Mobilität bei Verwendung von Elektromotor plus Brennstoffzelle ist aber selbst bei Gigalinern mit mehr als 50 Tonnen Nutzlast völlig problemlos.
  • Der Hauptgrund liegt darin, dass die massenbezogene Energiedichte von Wasserstoff in einem 700-bar-Drucktank 3240 kJ / kg beträgt und damit um den Faktor 4,286 höher ist als der von Lithium-Ionen-Akkumulatoren auf der Basis von LiCoO2.
  • Die wasserstoffbasierte E-Mobilität unter Verwendung von Elektromotor plus Brennstoffzelle kann daher außerdem auch im schienengebundenen ÖPV und Güterverkehr auf (noch) nicht elektrifizierten Bahnstrecken eingesetzt werden.
  • Eine akkubasierte E-Mobilität für PKWs wird derzeit zwar weltweit angestrebt, wird aber beim derzeitigen Stand der Akku-Technik bei weltweiten Stückzahlen jenseits von etwa 30 Millionen durch Rohstoffknappheit von Lithium-Erzen in der Erdkruste allmählich zum Erliegen kommen.
  • Eine wasserstoffbasierte E-Mobilität bei Verwendung von Elektromotor plus Brennstoffzelle ist dagegen völlig problemlos, denn Wasserstoff kommt auf der Erde in gebundener Form als Bestandteil von Wasser sehr häufig vor. Er kann daher als Bio-Wasserstoff durch Elektrolyse von Wasser unter Einsatz regenerativer Energie gewonnen werden und eben dieses und nur dieses Wasser entsteht in Reinform dann bei der Umkehr-Reaktion in der Brennstoffzelle unter Energieabgabe wieder als „Abfallprodukt“:
  • Die Erzeugung von Bio-Wasserstoff durch Elektrolyse von Wasser unter Einsatz regenerativer Energie und der Einsatz dieses Bio-Wasserstoffs in der wasserstoffbasierten E-Mobilität bei Verwendung von Elektromotor plus Brennstoffzelle ist damit weltweit die einzige zyklische Reaktion der Energiewirtschaft.
  • Es sei hier ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Akkumulator-Entwicklung rasant fortschreitet.
  • So gibt es seit 2015 die beiden an der Stanford University und im Oak Ridge National Laboratory entwickelten experimentellen Prototypen eines Aluminium-Ionen-Akkus, die unter Laborbedingungen beide eine massenbezogene Energiedichte von etwa 3600 kJ / kg erreichen. Sie haben beide aktuell jeweils noch vier gravierende Nachteile: geringe Lagerfähigkeit, Memory-Effekt, Temperaturabhängigkeit der Ladekapazität und einen geringen Ladewirkungsgrad. Für das Erreichen der Marktreife kalkulieren die Entwickler mit einer Dauer von etwa 10 weiteren Jahren.
  • Zur Steigerung der massenbezogene Energiedichte von Wasserstoff von aktuell 3240 kJ / kg auf 3600 kJ / kg bedarf es keinerlei Forschung. Es genügt, anstelle des derzeit verwendeten 700-bar-Drucktankes einen 778-bar-Drucktank zu verwenden. Dazu muss man lediglich die Wandstärke des Tankes um 11,1% erhöhen.
  • Als erfreulicher Nebeneffekt erhielte man dabei gleichzeitig eine Erhöhung der Fahrzeugreichweite um 11,1%.

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