Diesel-Stickstoffdioxid (NO2)-Grenzwerte: Alles nur Panikmache? NEIN!

Fake-News der Diesel-Lobby sollen Argumente der Diesel-Kritiker widerlegen!

In den letzten Wochen gab es einige teils verunsichernde Meldungen und Fake News zur Schädlichkeit von Kerzen oder Gasherden und Aussagen von einzelnen Ärzten, dass die NOx-Emissionen aus dem Verkehr doch gar nicht gesundheitsschädlich seien. Das Argument, dass die Grenzwerte zu niedrig seien und die Messstellen falsch aufgestellt, kennen wir ja von der Diesel-Lobby schon länger. Aber auch andere Behauptungen werden aufgestellt, die offensichtlich vor allem von der Diesel-Lobby stammen und die Diskussion verunsachlichen bzw. verfälschen.

Die Grüne Bundestagsabgeordnete Bettina Hofmann (Diplom-Biologin) hat diese Behauptungen jetzt alle nochmal sorgfältig geprüft und ganz sachlich widerlegt. Hier die Behauptungen der Diesel-Befürworter und die Argumente dagegen:

Behauptung: Der geltende NO2-Grenzwert von 40µg/m³ ist viel zu streng und nur auf der Basis ungeeigneter Forschungsdaten festgelegt. Die behauptete Zahl von 6.000 vorzeitigen Todesfällen durch NO2 (UBA) und 10.400 (EEA) im Jahr in Deutschland ist wissenschaftlich nicht belegbar.

Der Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40 µg/m³ ist ein Vorsorgewert und soll gesundheitliche Beeinträchtigungen durch eine dauerhafte Belastung mit dem Luftschadstoff vorbeugen. In verschiedenen epidemiologischen Studien ist der Zusammenhang zwischen NO2 und einer erhöhten Sterblichkeit sowie einem steigenden Risiko für Atemwegserkrankungen mit wissenschaftlich anerkannten Verfahren belegt. Epidemiologische Studien sind bevölkerungsbezogene Beobachtungsstudien. Darin werden Personen mit einer hohen NO2-Belastung mit Personen verglichen, die einer niedrigeren NO2-Konzentration ausgesetzt sind. Hieraus kann abgeleitet werden, wie hoch bei bestimmten NO2-Konzentrationen das Risiko zu erkranken/versterben ist. Die Vorteile sind also die große Anzahl an untersuchten Probanden, welche zusätzliche Altersgruppen wie Ältere und Kinder sowie Personen mit Vorerkrankungen einschließt, und die längere Expositionszeit, sodass ein breiteres Wirkungsspektrum untersucht werden kann. Auch toxikologische Studien, also experimentelle Studien an Lebewesen, geben Hinweise auf eine gesundheitsschädigende Wirkung von NO2.[i] [ii]

Diese Studienergebnisse werden oft mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass es keine „NO2-Krankheit“ oder sogar einen „NO2-Toten“ gäbe. Das ist zwar grundsätzlich richtig, wird durch die angeführten Studien aber auch gar nicht behauptet. Es gibt ja auch keine „Stresskrankheit“ und dennoch beeinflusst Stress die Gesundheit negativ. Die Epidemiologie identifiziert Risikofaktoren, die die Entstehung bestimmter Erkrankungen beeinflussen können. Aus den Studien wird deutlich: NO2 erhöht das Risiko von Atemwegserkrankungen und verkürzt die Lebenserwartung. Ein Grenzwert, unter dem kein Gesundheitsrisiko besteht, wird aus den Studien nicht ersichtlich. Im Gegenteil steigt die Wahrscheinlichkeit für Erkrankungen mit einer zunehmenden NO2-Belastung linear an. Um Gesundheitswirkungen vorzubeugen müssen also schon geringe Belastungen vermieden werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) plant deshalb, ihre Grenzwertempfehlung auf 20 µg/m³ abzusenken. Die Evaluierung der jetzigen Empfehlungen läuft zum Jahr 2020. Auch der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung hat sich in seiner Stellungnahme zum Peer-Review 2018 einstimmig (also auch FDP und AfD) für eine solche Absenkung ausgesprochen.[iii]

Auch der Vorwurf, epidemiologische Studien könnten andere Risikofaktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum oder andere Luftschadstoffe nicht ausschließen, ist nicht berechtigt. Ernährungsgewohnheiten, Rauchen, Alkoholkonsum, usw. werden als weitere Risikofaktoren in den Rechnungen berücksichtigt. Auch die Wirkung andere Luftschadstoffe kann berücksichtigt werden, sofern hier getrennt erfasste Daten vorliegen. Unabhängig davon ist NO2 ein guter Indikator für andere verkehrsbedingte Luftschadstoffe wie Ruß oder krebserregende Kohlenwasserstoffe.

Die Empfehlung der WHO geht im Übrigen auf Übersichtsstudien zur Belastung mit NO2 der Raumluft durch das Kochen mit Gas zurück.[iv] Der Einfluss anderer Luftschadstoffe kann in diesen Studien weitestgehend ausgeschlossen werden.

Behauptung: Nur in Deutschland gelten derart strenge Grenzwerte und in keinem anderen Land wird aufgrund der NO2-Panikmache über Dieselfahrverbote diskutiert.

Den Jahresmittelwert von 40 µg/m³ für Stickstoffdioxid haben die EU-Mitgliedstaaten auf Empfehlung der EU-Kommission bereits 1999 beschlossen. 2008 haben EU-Parlament und Mitgliedstaaten diesen Wert noch einmal bestätigt. Es handelt sich also um eine europarechtliche Vorgabe, die in allen EU-Staaten seit 2010 einzuhalten ist. In Österreich gilt seit 2012 sogar ein noch strengerer Grenzwert von 35 µg/m³. In der Schweiz gilt ein Jahresmittelwert von 30 µg/m³.

Wien setzt für saubere Luft in der Innenstadt vor allem auf einen hohen Anteil des Umweltverbunds. 73 Prozent der Strecken werden in Wien mit ÖPNV, Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt.[v] Auch in Zürich konnte der Anteil der im Auto zurückgelegten Strecken von 40% im Jahr 2000 auf heute 25% gesenkt werden. Möglich machen das ein gut ausgebauter ÖPNV, eine konsequente Beschränkung der Parkplätze in der Stadt oder die Festlegung einer Anzahl von Autos, die maximal in der Stadt unterwegs sein darf.[vi]

Auch andere europäische Großstädte haben schon frühzeitig Fahrverbote für alte Dieselautos ausgesprochen oder regeln den Autoverkehr in den Innenstädten beispielsweise über City-Maut-Systeme. In Athen gibt es schon seit Jahrzehnten ein rotierendes Fahrverbot: An ungeraden Tagen dürfen nur Autos mit ungeraden Kennzeichen in die Stadt, an geraden Tagen umgekehrt. An Tagen mit akuten Luftverschmutzungsalarm wird die Fahrverbotszone noch ausgeweitet, für Verstöße sind hohe Bußgelder fällig. Auch Metropolen wie Oslo und Paris reagieren zusätzlich zu bestehenden Verkehrsbeschränkungen mit temporären Fahrverboten bei Luftverschmutzungsalarm. Darüber hinaus soll in Paris ab 2024 ein Fahrverbot für alle Diesel-PKW gelten, ab 2030 sollen dann gar keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr in Paris fahren dürfen.[vii]

Andere Städte haben also schon deutlich früher wirksame Maßnahmen und nachhaltige Verkehrskonzepte auf den Weg gebracht, um die Luft- und Lebensqualität in den Städten zu verbessern. Gerichtlich verhängte Fahrverbote für Diesel in einigen deutschen Städte sind nun die Quittung dafür, dass Bund, Länder und Kommunen seit Jahren die Verkehrswende und damit wirksame Maßnahmen zur Luftreinhaltung verschlafen. Im Fall von Bayern passiert das sogar mit Vorsatz. Der Europäische Gerichtshof prüft deshalb derzeit, ob unter anderem der Bayerische Ministerpräsident in Zwangshaft genommen werden kann, weil er die gerichtlich angeordnete Aktualisierung des Luftreinhalteplans trotz bereits verhängten Ordnungsgeldes verschleppt.[viii]

Behauptung: Da für die Innenraumluft viel höhere NO2-Grenzwerte gelten, ist der 40-µg-Grenzwert für den Außenbereich nicht haltbar.

Der Industriearbeitsplatzgrenzwert für NO2 ist mit 950 µg/m³ um ein Vielfaches größer als der für die Außenluft zulässige Jahresmittelwert. Beide Grenzwerte können aber nicht miteinander verglichen werden, denn sie haben einen jeweils anderen Zeit- und Personenbezug.

Der Jahresmittelwert für die NO2-Konzentration in der Außenluft ist als Vorsorgewert für die gesamte Bevölkerung gemacht, insbesondere aber für sensible Personengruppen wie Asthmatiker*innen, Schwangere oder Kinder gilt, und geht von einer dauerhaften Belastung aus. Der Arbeitsplatzgrenzwert hingegen gilt für gesunde Arbeitnehmer*innen an Industriearbeitsplätzen und im Handwerk, die dieser Belastung acht Stunden am Tag und maximal 40 Stunden in der Woche ausgesetzt sein dürfen. Arbeitnehmer*innen an Industriearbeitsplätzen mit einer hohen NO2-Konzentration erhalten zusätzlich eine arbeitsmedizinische Betreuung.[ix]

Für Büroarbeitsplätze gibt es keinen Grenzwert. Zur Orientierung dient allerdings ein Richtwert von 60 µg/m³ im Wochenmittel. Der Ausschuss für Innenraumrichtwerte strebt eine Anpassung des Richtwerts auf 40 µg/m³ im Wochenmittel an.[x]

Behauptung: Durch brennende Kerzen oder die Flamme eines Gasherds entstehen im Innenraum deutlich größere NO2-Belastungen als im Außenbereich zulässig sind.

Stickstoffdioxid entsteht bei jedem Verbrennungsprozess – beim Dieselmotor genauso wie bei einer Kerze oder einem Gasherd. Wissenschaftler aus Hongkong haben 2005 die Stickoxid-Emissionen von verschiedenen Kerzen gemessen. Die Kerze mit den höchsten Emissionswerten produzierte 280 µg Stickoxide, bis sie ganz ausgebrannt war.[xi] In einem 20 m² großen Raum mit einer Deckenhöhe von drei Metern müssten fast neun Kerzen gleichzeitig komplett runterbrennen, um den Grenzwert für eine Stickstoffdioxidkonzentration von 40 µg/m³ in der Außenluft zu erreichen.

Verschiedene Studien zeigen zudem, dass Stickstoffdioxid in geschlossenen Räumen deutlich schneller verfliegt als in der Außenluft. In einer Studie war sogar nach einer Stunde der Ausgangswert wieder erreicht – ohne extra zu lüften.[xii] Das liegt daran, dass Stickoxide an Oberflächen zerfallen. Anders als im Stadtverkehr ist im Innenraum also von einzelnen Belastungsspitzen auszugehen. Gasherd und Kerze sind nicht den ganzen Tag an, verkehrsbedingte Emissionen stellen hingegen eine konstante Belastung dar.

Eine Studie aus dem Jahr 2000 empfahl Asthmatiker*innen übrigens, möglichst nicht mit Gas zu kochen, um die NO2-Emissionen im Innenraum gering zu halten.[xiii]

Behauptung: Die Panikmache vor zu hohen NO2-Grenzwerten ist vollkommen übertrieben, NO2 ist auch bei höheren Belastungen gesundheitlich unbedenklich.

Der Lungenarzt Dieter Köhler verweist darauf, dass Raucher*innen mit jeder Zigarette 600 µg NO2 inhalieren.[xiv] Da Raucher*innen von einer Zigarette nicht direkt tot umfallen, sieht er alle epidemiologischen Studien widerlegt, die schon bei geringeren Konzentrationen Gesundheitsrisiken annehmen. Allerdings wird in keiner epidemiologischen Studie behauptet, dass NO2 direkt bzw. durch eine akute, punktuelle Hochbelastung tödlich sei. Und dass Raucher eine niedrigere Lebenserwartung haben, streitet auch Herr Köhler nicht ab.

Der zentrale Unterschied ist aber: Rauchen ist eine freiwillige Entscheidung und Raucher*innen können jederzeit mit dem Rauchen aufhören. Schlechte Luft hingegen atmen alle und sind den Schadstoffen permanent ausgesetzt, ohne der Luftverschmutzung ausweichen zu können. Der Vorsorgewert von 40 µg/m³ soll insbesondere für die Personengruppen ein hohes Schutzniveau schaffen, die besonders sensibel für Luftschadstoffe sind – beispielsweise Asthmatiker*innen oder Schwangere.

Behauptung: Die NO2-Messstellen in den Städten sind oft nicht korrekt (europarechtswidrig) aufgestellt, damit können auch die Grenzwertüberschreitungen nicht zur Begründung von Fahrverboten herangezogen werden.

In der Luftqualitätsrichtlinie hat die EU festgeschrieben, welche Kriterien bei der Aufstellung der Messstellen einzuhalten sind – soweit dies möglich ist. Der Zusatz „soweit möglich“ macht klar, dass diese Regelungen nicht starr sind und einen legitimen Ermessensspielraum einräumen. Denn nicht jede Stadt und nicht jede Verkehrsachse in den Städten sind gleich. Auch Störfaktoren (z.B. Bäume, Balkone), Sicherheit, Zugänglichkeit und Stromversorgung müssen bei der Standortwahl berücksichtigt werden. Diese Vorgaben sind mit der 39. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) in nationales Recht umgesetzt.

Die Behauptung, dass die Messstellen in deutschen Städten europarechtswidrig aufgestellt seien und nicht korrekt messen, ist schlicht falsch. Der Deutsche Wetterdienst hat acht Messstellen in NRW überprüft. Hiervon misst zwar eine Messstelle nicht korrekt, dabei handelt es sich allerdings um eine kommunale Messstelle, deren Ergebnisse nicht in die Berichte an die EU-Kommission einfließen. Der TÜV hat 2018 alle 133 Messstellen in NRW überprüft, davon entspricht nur eine Messstelle nicht den Vorgaben der 39. BImSchV.[xv] Auch Hessen, Bayern und Baden-Württemberg haben ihre Messstellen überprüft und die korrekte Aufstellung bestätigt. Auch im Vergleich mit anderen EU-Staaten misst Deutschland keineswegs zu streng. In Frankreich oder Schweden sind die Messstellen laut Expertenmeinung ähnlich aufgestellt wie hierzulande.

In Deutschland kommen auch nicht deshalb zu hohe Grenzwerte zustande, da einige Messpunkte zu nah an Kreuzungen stehen. Einerseits finden durch Rückstaus auch 25 Meter vor der Kreuzung Beschleunigungen statt, andererseits fallen gerade an Kreuzungen die Messwerte auf Grund von Luftverwirbelungen oder Frischluftströmen oft niedriger aus.

Die Debatte um die vermeintlich falschen Standorte der Messstellen ist ein reines Ablenkungsmanöver. Wem es nur darum geht, möglichst niedrige Werte zu messen, der hat nicht die Gesundheit von Mensch und Umwelt im Blick, sondern ausschließlich die Lobbyinteressen der Autoindustrie und versucht ein reales Problem durch wegmessen zu „lösen“. Es wäre eine reine Verschwendung von Steuergeldern, dort zu messen, wo keine Belastung über den Grenzwerten zu erwarten ist. Und es würde das Grundprinzip der Luftqualitätsrichtlinie konterkarieren, überall die Grenzwerte für eine saubere Luft einzuhalten. Die Messstationen sind deshalb so aufzustellen, dass sie die höchsten Konzentrationen erfassen, denen die Bevölkerung ausgesetzt ist. Nur dann ist sichergestellt, dass die Luftbelastung an keinem anderen Ort noch höher ist.

Behauptung: DUH, Bündnis 90/Die Grünen & Co führen einen Kreuzzug gegen den Diesel und machen so die deutsche Autowirtschaft kaputt.

Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: In 65 deutschen Städten werden die zulässigen NO2-Grenzwerte immer noch überschritten. Zwar ist die Luftbelastung über die Jahre gesunken, aber eben noch nicht stark genug. Deswegen ordnen Gerichte und nicht die Grünen Fahrverbote an, an die sich die Politik halten muss.

2016 waren Diesel-PKW für über 70 Prozent der verkehrsbedingten NO2-Emissionen in Städten verantwortlich.[xvi] Verantwortlich dafür ist auch die deutsche Automobilindustrie, die über Jahre gegen die europäischen Vorgaben für Abgasemissionen verstoßen und mit Schummelsoftware betrogen hat.

Nicht erst der Diesel-Skandal zeigt, dass sich in der deutschen Autoindustrie einiges ändern muss. Für die Gesundheit der Bürger*innen, für das Klima, aber auch damit der Autostandort Deutschland eine Zukunft hat. Wir gehen deshalb mutig voran: Ab 2030 sollen alle neu zugelassenen Wagen abgasfrei sein. Das ist gut für unser Klima, sorgt für saubere Luft in den Innenstädten und rettet die deutsche Autoindustrie.

Die Zukunft, das ist emissionsfreie Mobilität auf Basis Erneuerbarer Energien mit einem starken und gut ausgebauten Umweltverbund, das ist die digitale Vernetzung von Verkehrsträgern und die gemeinsame Nutzung von Autos – egal ob über Car-Sharing-Angebote oder als Mitfahrgelegenheit. Wer hier die Nase vorn hat, schafft wertvolle Unternehmen und sichere Arbeitsplätze. Wir Grüne wollen, dass die deutsche Autoindustrie bei dieser Transformation vorne mitfährt.

Insgesamt wird der Automobilmarkt weltweit weiter enorm wachsen – davon kann auch die deutsche Automobilwirtschaft profitieren, wenn sie ihre Marktanteile behält und bei umweltfreundlichen Antrieben vorne mitfährt. Die Frage lautet nicht mehr, ob sich das emissionsfreie Auto durchsetzt, sondern nur noch, wer es erfolgreich baut und damit auch langfristig Arbeitsplätze und wirtschaftlichen Erfolg sichert. Kriegen die Autobauer nicht rechtzeitig die Kurve, setzen sie den Automobilstandort Deutschland aufs Spiel.

Hintergrund: Recht auf saubere Luft

Bereits 1999 haben die EU-Mitgliedstaaten auf Vorschlag der EU-Kommission einen Jahresmittelwert von 40 µg/m³ für Stickstoffdioxid (NO2) beschlossen, der sich an den Luftgüteleitwerten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientiert. 2008 haben EU-Mitgliedstaaten und EU-Parlament diesen Grenzwert sowie einen Stundenwert von 200 µg/m³, der maximal 18 Mal im Jahr überschritten werden darf, bestätigt und in der europäischen Luftqualitätsrichtlinie festgeschrieben (2008/50/EG). Die Grenzwerte sind über die 39. Bundesimmissionsschutzverordnung in nationales Recht umgesetzt und sind seit 2010 verpflichtend einzuhalten.

Bei Überschreitung der Grenzwerte sind die Mitgliedstaaten verpflichtet Luftreinhaltepläne aufzustellen, in denen Maßnahmen zur Einhaltung der Grenzwerte aufgeführt sind. In Deutschland sind die Länder in Zusammenarbeit mit den Kommunen für die Aufstellung der Luftreinhaltepläne verpflichtet. Bereits 2007 hat das Bundesverwaltungsgericht in einer Grundsatzentscheidung zur Feinstaubbelastung deutlich gemacht, dass die Behörden bei Grenzwertüberschreitungen einschreiten müssen. Anwohner*innen haben auch dann einen Anspruch darauf, dass die Grenzwerte eingehalten werden, wenn die Behörden keinen Luftreinhalteplan vorlegen. Damit begründet das Bundesverwaltungsgericht ein einklagbares Recht auf saubere Luft.

Mit einem weiteren Grundsatzurteil stellte das Bundesverwaltungsgericht im September 2013 fest, dass auch Umweltverbände klagebefugt sind und gegen alle Verstöße gegen das europäische Luftreinhalterecht vor Gericht ziehen können.

Hintergrund: Unterscheidung Immissionen und Emissionen

In der Dieseldebatte werden häufig Emissions- und Immissionswerte durcheinander geworfen. Der NO2-Grenzwert von 40 µg/m³, den Union, FDP und AfD immer wieder in Zweifel ziehen, ist ein Immissionswert. Als Immissionen werden generell die Einwirkungen von Störfaktoren auf Mensch und Umwelt bezeichnet. Um schädliche Einwirkungen etwa durch Luftschadstoffe gering zu halten, sind im Bundesimmissionsschutzrecht entsprechende Grenzwerte festgelegt. Der 40-Mikrogramm-Grenzwert gibt beispielsweise an, welche Konzentration von Stickstoffdioxid in der Außenluft maximal erlaubt ist, um negative Folgen für Mensch und Umwelt zu vermeiden.

Emissionen bezeichnen den tatsächlichen Ausstoß eines Luftschadstoffs – also beispielsweise die Menge an NO2, die aus einem Auspuff eines Diesel-PKW ausgeblasen wird. Um die Konzentration von NO2 in der Luft – also die Immissionen – so gering wie möglich zu halten, müssen die Emissionen gesenkt werden. Der einfachste Weg ist es, umweltfreundliche Alternativen zum Auto zu fördern. Bahn und Fahrrad stoßen keine Luftschadstoffe aus. Auch technische Vorrichtungen an Motoren sind notwendig, um den Schadstoffausstoß zu senken.

Quellenangaben/Fußnoten:
[i] https://www.uni-duesseldorf.de/home/fileadmin/redaktion/Oeffentliche_Medien/Presse/Pressemeldungen/Dokumente/Kurzstellungnahme_Experten_Umweltepidemiologie.pdf; https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/170331_no2_gesundheitsstudie.pdf

[ii] Ebd.; https://cfpub.epa.gov/ncea/isa/recordisplay.cfm?deid=310879

[iii] Alle Luftschadstoffgrenzwerte sollen auf die von der WHO empfohlenen Werte gesenkt werden, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/064/1906475.pdf , S. 4.

[iv] https://www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/rapid-reaction/details/news/diesel-skandal-wissenschaftler-widersprechen-schlussfolgerungen-der-abgeordneten-zu-gesundheitlich/;

[v] https://smartcity.wien.gv.at/site/files/2018/03/Factsheet-Mobilit%C3%A4t.pdf

[vi] https://www.boell.de/de/2018/12/07/zuerich-welthauptstadt-des-oepnv und https://www.stadt-zuerich.ch/ted/de/index/taz/verkehr/webartikel/webartikel_kennzahlen_verkehrsentwicklung.html

[vii] https://www.nzz.ch/wirtschaft/diese-europaeischen-metropolen-setzen-bereits-heute-auf-fahrverbote-ld.1364898

[viii] https://rp-online.de/politik/deutschland/diesel-fahrvebote-gericht-soll-zwangshaft-fuer-bayerische-minister-klaeren_aid-34611415.

[ix] https://www.umweltbundesamt.de/themen/unterschied-zwischen-aussenluft

[x] https://www.umweltbundesamt.de/themen/unterschied-zwischen-aussenluft

[xi] https://correctiv.org/faktencheck/medizin-und-gesundheit/2018/12/18/adventskraenze-sind-nicht-schlimmer-als-diesel-der-stickoxid-grenzwert-ist-trotzdem-fragwuerdig

[xii] Ebd.

[xiii] https://www.praxis-depesche.de/nachrichten/besser-auf-den-gasherd-verzichten/

[xiv] https://www.aerzteblatt.de/archiv/200863/Feinstaub-und-Stickstoffdioxid-(NO-sub-2-sub-)-Eine-kritische-Bewertung-der-aktuellen-Risikodiskussion

[xv] https://www.umwelt.nrw.de/umwelt/umwelt-und-gesundheit/luft/luftqualitaetsueberwachung/

[xvi] https://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/sind-diesel-benzinmotoren-umweltfreundlicher

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